Die magische Anziehungskraft von Medien.

Digitale Medien und Begeisterung

Als Mama kenne ich das gut: Ich habe so eine kleine Zwischenzeit, ich weiß nicht wann, ich als nächstes gebraucht werde und mein erster Griff ist zum Handy…
Das geht so leicht. Es gibt bestimmt etwas Wichtiges zum Nachlesen, mich informieren, vielleicht hat mir jemand geschrieben.
Und ich kenne es auch gut, dass mich das am Ende des Tages irgendwie unzufrieden macht, dass ich das Gefühl hab nie eine Pause zu haben (aber haha.. in der Pause greife ich dann wieder zu meinem Handy).

Und das obwohl ich mir da viel Achtsamkeit mit digitalen Medien zuschreibe. Der Psychiater und Universitätsprofessor Dr. Christoph Pieh, sagt dazu ganz trocken und unemotional: Ja, so sind die Smartphones konzipiert. Sie schreien immer nach Aufmerksamkeit *piep piep*.

Mich erleichtert das. Es liegt nicht an mir, dass ich mich das Ding so anzieht.

Mich hat die Beschäftigung mit Kindern und Medien auf alle Fälle dazu aufgefordert wieder konkreter darüber nachzudenken, was macht mich am Ende des Tages, an dem ich auch viel Zeit mit meinen Kindern und Care-Arbeit verbringe, zufrieden? Was macht mich lebendig?
Was in der realen Welt ist auch in den Zwischenzeiten noch anziehender als das Handy?

Auch für unsere Kinder können wir uns diese Frage stellen: Was begeistert sie, für was legen sie ohne Diskussion das Handy oder Tablett weg? Was begeistert unsere Kinder?

Was begeistert dich?

An der Stelle mag ich noch ein paar Informationen aus der Studie von Christoph Pahl teilen, die bei mir länger nachgewirkt haben:

Das Digitale Detox ist den Menschen bei der Studie sehr leicht gefallen, sie haben bemerkt, dass sie plötzlich wieder mehr Zeit haben, dass sie Dinge tun können, die sie schon lange nicht mehr gemacht haben, zum Beispiel ein Buch lesen oder einfach spazieren gehen. Jedoch kaum war die Kontrolle durch die Studie weg, sind die Menschen schnell wieder in ihre alten Muster zurückgefallen und haben wieder viel Zeit mit digitalen Medien verbracht.
Das kenne ich auch von mir gut. Im Urlaub fehlt mir mein Handy nicht.

Durch die digitalen Medien führen wir uns viel Input zu. Wir merken uns aber natürlich nicht alles was wir sehen oder hören. Der Prozess ob etwas langfristig gespeichert wird, passiert pausenlos und wirkt sich auch auf unseren Schlaf aus. Hohe Screen-Time bedeutet viel Input, noch ganz egal welcher Input das ist und eben auch viel Verdauungszeit.
Mir gibt das einen guten Anhaltspunkt warum ich mich im Alltag oft voll aber nicht satt fühle. Ich bin vom vielen Input voll aber nicht zufrieden, der (zu viele) Input nährt mich nicht.

Wenn wir uns Input hingeben, dann schaltet das Gehirn nicht auf Output generieren. Und ein Gehirn sollte eigentlich beides machen. Aufnehmen wie ein Schwamm und Dinge kreieren, Gedanken, Überlegungen,.. das geht erst wenn der Input aufhört.
Ja, das ist manchmal nicht so leicht.. denn nicht immer mögen wir den Output, der von unserem Gehirn kommt.. Vielleicht sind das Sorgen oder Ängste, Ärger, Wut, Langweile,… Alles Gefühle mit denen viele von uns nicht so gut umgehen können. Aber auch neue Ideen, Innovation, Kreativität sind Output. Und an der Stelle wo wir uns lieber Input hingeben als der realen Welt, finde ich die Gedanken von André Stern sehr hilfreich. Er spricht über Kinder aber ich finde auch es auch lohnenswert sich Gedanken zu machen, welche Auswirkungen dieses Erleben als Kind auf uns als Erwachsene hat.
Er sagt, „nicht die Medien sind das Problem. Sondern die Situationen, die unsere Kinder in der realen Welt vorfinden.“ In der virtuellen Welt ist es möglich sofort und bedingungslos Held oder Heldin zu sein. Ohne warten zu müssen, „größer“ zu werden, ohne sich anstrengen zu müssen, ohne Fortschritte machen zu müssen. André Stern schreibt dem Agismus, also der Altersdiskrimminierung die Beliebtheit und hohen Zug der Medien auf unsere Kinder zu.

Für mich ist das ein sehr spannendes Forschungsfeld, das mich in meinem Alltag mit unseren Kinden begleitet: In welcher Welt leben unsere Kinder? Erleben sie sich als selbstwirksam? Wo dürfen sie die Held:innen ihrer Welt sein? Nehme ich ihnen zu viele Dinge ab, die sie schon selbst können? Bei denen sie schon eine eigene Meinung haben? Selbst entscheiden können?
Wo erleben sie Druck von mir weil sie noch nicht schnell genug sind, nicht „gut“ mitgedacht haben, etwas vergessen haben? Etwas zum gefühlt 100sten Mal wiederholen, fragen,…. statt sich der nächsten Aufgabe zu widmen („schließlich sind sie schon groß genug“).



Ich versuche neugierig und achtsam auch mit mir zu sein, wenn ich nach Antworten auf diese Fragen suche, auch ich bin am Lernen! Und ich lade auch dich ein, wenn du dich den Reflexionsfragen widmen magst, sanft mit dir zu sein, neugierig zu sein. Vielleicht kannst du ganz was Neues über dich herausfinden.

Fragen zur persönlichen Reflexion:
Wo sind deine Zeitfresser in den digitalen Medien?
Wie ists eigentlich das Handy weniger zu nutzen?
Ist das leicht? Ist das schwierig für dich?
Wie geht es dir nach der Mediennutzung? Bist du erholt,entspannt, ausgeruht? Oder eher unruhig, gelangweilt, genervt? Bist du inspiriert? Fühst du dich lebendig?
Wo und wann fühle ich mich selbstwirksam?
Was macht mich am Ende des Tages, an dem ich auch viel Zeit mit meinen Kindern und Care-Arbeit verbringe, zufrieden? Was macht mich lebendig?
Was in der realen Welt ist auch in den Zwischenzeiten noch anziehender als das Handy?

Was begeistert dein Kind? Für was legt es ohne Diskussion das Handy oder Tablett weg?
Für was interessiert sich dein Kind gerade?
Was macht dein Kind am liebsten am Handy? Welche Spiele spielt es? Wie funktionierensie? Und was daran ist besonders cool, spannend,… ?

Quellen und weitere Inputs:
Ein Talk auf FM4 mit Psychiater und Universitätsprofessor Dr. Christoph Pieh ua
Buch und Vortrag von Andre’ Stern: Begeisterung: Die Energie der Kindheit wiederentdecken. Elisabeth Sandmann Verlag.
Buch von Lukas Wagner: Unsere Kinder in der digitalen Welt: Potenzial statt Panik. Leykam.
Interview mit Gerald Hüther

Vortrag: Digitale Medien in der Familie Mo., 12.5., 18-19:30, Ekiz Fürstenfeld & Di.,13.5., 20:30-22:00 online, per Zoom

Wie etablieren wir einen gesunden Umgang mit Handy, Tablett und Fernseher in der Familie? Und was ist eigentlich gesund? Und warum nicht?
„Darf ich? Ich will aber noch mehr! Nur noch kuuuuuuuuuuuurz!“
Viele Eltern kennen die magnetische Anziehungskraft von Medien auf ihre Kinder. Kinder (und auch wir Eltern haben diese Strategie) beginnen Fernseher, Handy und Tablett zu nutzen um schlechte Laune oder Langweile zu vertreiben oder Frust abzubauen. Medienzeit verringert die Dauer die Welt mit allen Sinnen zu „begreifen“. Und gerade das brauchen unsere Kinder für eine gesunde Entwicklung. Gleichzeitig sind digitale Medien fixer Bestandteil von unserem Leben und können auch als Werkzeuge kreativ und sinnvoll genutzt werden.
Die letzten 30 Minuten sind für Fragen reserviert.
17€ (und 13€ ermäßigt für EKiZ Mitglieder)
Anmeldung: sarah@wachsenundsein.net

Das Gehirn braucht Ruhephasen.

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